Bisher habe ich die Methode Storytelling zur Entwicklung von Marken, der Gestaltung von Kampagnen und dem Aufwerten von touristischen Produkten (Wanderweg, Stadtführung,…) verwendet. Der Einsatz von Storytelling In der Fotografie war für mich eigentlich nur eine Frage der Zeit. Als Hochzeitsfotograf bewundere ich seit langem die Hochzeitsportraits von Steffen Böttcher und Roberto Valenzuela. Ich frage mich, wie sie es schaffen diese außergewöhnlichen, persönlichen und intimen Momente zu erzeugen. Bei meinen eigenen Fotos bemerkte ich, dass ich oft ähnliche Posen verwendete. Meine Unzufriedenheit stieg, da ich es nicht schaffte die Brautpaare einzigartig und unverwechselbar in Szene zu setzen. Bei der Vorbereitung zu einem Hochzeitsshooting kam mir dann die Idee Storytelling einzusetzen und die besondere Geschichte des Brautpaares auf dem entscheidenden Foto des Brautpaarshootings zu erzählen. Das Ergebnis hat mich überwältigt und überzeugt. So freue ich mich, Euch in diesem Beitrag meinen eigenen Weg des Storytellings in der Hochzeitsfotografie anhand eines Beispiels zu zeigen. Die entscheidenden Punkte sind für Euch am Ende des Beitrages als Tipps zusammengefasst.
Die Hochzeit von Jenny und Adam
Das Beispiel erzählt die Geschichte der Hochzeit von Jenny und Adam. Einem mutigen Brautpaar, das sich darauf eingelassen hat das etwas „andere“ Brautpaarfoto zu machen. Es zeigt wie ich vorgegangen bin und wie wir gemeinsam das besondere Bild zu Ihrer Hochzeit gestaltet haben. Mein besonderer Dank gilt Daniel, der mir beim Bauen der Requisite und dem Aufbau am Hochzeitstag enorm geholfen hat.

Klärung der Rahmenbedingungen und Thema der Geschichte
Für den ersten Austausch habe ich mich mit Jenny zu einem telefonischen Vorgespräch verabredet. Dort konnte ich Informationen zum Rahmen der Hochzeit abholen (Zeit, Ort, Ablauf, Gestaltung, Trauzeugen, Wünsche an den Fotografen…) und zu sich selbst interviewen. Was ich unbedingt zum Erzählen der Story als Basis brauchte waren verbindende Geschichten, Hobbys, gemeinsamen Vorlieben oder besondere Gegensätze. Nach dem Telefonat entstand ein erstes Bild zur Planung und Umsetzung des besonderen Fotos für die Hochzeit. Es wurde klar, dass die Hochzeit in der Innenstadt von Oldenburg stattfinden sollte und wir für das Paarshooting insgesamt unter einer Stunde zwischen Trauung und Feier inkl. Hin- und Rückfahrt Zeit hatten. Als mögliche Basis für die Geschichte stellte sich die verbindende Leidenschaft der beiden zum Meer heraus. Insgesamt nicht gerade viel, um eine Geschichte auf einem Foto darzustellen. Das Meer wurde schon häufig als Kulisse für Hochzeiten verwendet und genug Zeit für ein Shooting am Meer zwischen Trauung und Feier gab es nicht. Durch weiteres Nachfragen stellte sich kein weiteres verbindendes Thema für das Brautpaar heraus. Der Rahmen für das Foto stand: Innenstadt, weniger als eine Stunde Zeit für das Shooting und das verbindende Thema Meer.
Ideenfindung
Eine Geschichte besteht grundsätzlich aus einem zu lösenden Konflikt, einem Helden, einem Grund erzählt zu werden und aus Emotionen. Storys sollten so außergewöhnlich erzählt werden, dass Menschen sie gerne weitererzählen. Nach Betrachten der Grundstruktur für Geschichten wurde klar, dass der Konflikt doch eigentlich auf der Hand lag. Die Leidenschaft des Brautpaares zum Meer sollte erzählt werden. Wir hatten jedoch keine Chance das Meer in die Bildgestaltung live einzubeziehen. Dann kam mir die Idee! Wir lösen den Konflikt, indem wir einen Weg finden das Meer in die Innenstadt von Oldenburg zu bringen. Wir bilden das Meer ab, nutzen es als „künstlichen Hintergrund“ im Bild und schaffen den größtmöglichen Kontrast zum Umfeld. Als handelnde Personen neben dem Brautpaar kamen die Trauzeugen in Frage.
Die Geschichte
Die Geschichte ist somit erzählt: „Es war einmal ein junges Brautpaar, das sich im wunderschönen Kaisersaal in der Stadt Oldenburg trauen lassen wollte. Die Vorbereitungen auf den einmaligen Tag liefen auf Hochtouren als beide plötzlich schmerzlich merkten, dass sie von ihrer gemeinsamen großen Leidenschaft, dem Meer, für das besondere Brautpaarfoto zu weit entfernt waren. Wie sie den Zeitplan des Hochzeitstages auch drehten und wendeten, sie fanden zeitlich keine Möglichkeit für ihr entscheidendes Brautpaarfoto ans Meer zu fahren. Das Brautpaar gab auf und fand sich mit der Vorstellung eines „normalen“ Hochzeitsfotos ab. Die Trauzeugen des Brautpaares hingegen gaben sich nicht geschlagen. Nachdem sie lange Zeit hin und her überlegten kam ihnen die Idee zur Lösung. Sie heckten einen Plan aus der noch für eine große Überraschung sorgen sollte. Ohne ein Sterbenswörtchen zu verraten warteten sie bis nach der Trauung, um das Brautpaar in den nahegelegenen Schlossgarten von Oldenburg zu entführen. Dort angekommen traute das Brautpaar seinen Augen nicht. Mitten im Park stand an einem Gerüst befestigt ein riesengroßes Bild. Auf dem Bild war das so sehnsüchtig gewünschte Meer zu sehen. Die Trauzeugen stellten das Brautpaar vor das große Meeresmotiv und es entstand ein wunderschönes Foto, das das Brautpaar überglücklich machte.“
Der Traum

Die Helden (Trauzeugen)

Die Requisite

Umsetzung und Inszenierung des Brautpaarfotos
Das Motiv stellt den Moment der Erzeugung des gewünschten Brautpaarfotos dar. Für das Setting wurde im nahegelegenen Schlossgarten von Oldenburg ein Gerüst aus Bauzaunelementen aufgebaut, das ein 3m x 3m großes bedrucktes und gespantes Banner aus LKW-Plane trug. Das Banner mit dem Meeresmotiv wurde perspektivisch mit einer Flucht in den Park aufgestellt. Die Dramaturgie des Fotos entsteht indem die Trauzeugen selber Teil des Hochzeitsbildes werden. Sie helfen bei der Entstehung des Fotos, indem der eine Trauzeuge das Banner hält und der andere Trauzeuge das Brautpaar vor dem Meeresmotiv ausleuchtet. Die Trauzeugen schaffen somit den Rahmen für das Foto. Trauzeugen haben im richtigen Leben die Aufgabe das Brautpaar in Krisensituationen zu stützen und ihnen zu helfen. Im Foto wird dies symbolisch dargestellt indem Sie sich um das perfekte Foto für das Brautpaar bemühen. Dieser Umstand verleiht dem Foto eine zusätzliche Kraft und steigert die Dramaturgie.
Das Ergebnis

6 Tipps um mit Storytelling ein unverwechselbares Brautpaarfoto zu gestalten
1. Setzt Euch intensiv mit dem Brautpaar auseinander
Als Basis zum Erzählen einer guten Story braucht ihr ein Thema. Dieses kann z.B. ein besonderes Erlebnis des Brautpaares sein, das die Beziehung verdeutlicht. Auch gemeinsame Hobbys oder gemeinsame Vorlieben oder besondere Gegensätze bieten sich zum Erzählen einer Geschichte an. Damit das Foto später unverwechselbar wird sollte es sich auf eine wichtige Verbindung von Braut und Bräutigam beziehen. Um an den Kern der Beziehung zu gelangen braucht Ihr das Vertrauen von Braut und Bräutigam. Stellt z.B. folgende Fragen: wo habt ihr euch kennengelernt? Was verbindet euch? Was magst du an ihm am meisten? Gibt es etwas, das er tut was dich auf die Palme bringt? Wie würdet ihr eure Beziehung beschreiben? … Hört genau zu und sammelt im ersten Schritt alle Antworten. Mir hilft es, wenn ich mir die Antworten anschließend als kleinen Film vorstelle.
2. Klärt die Rahmenbedingungen für die Hochzeit
Um zu wissen was geht und machbar ist für das Gestalten eines außergewöhnlichen Hochzeitsbildes braucht Ihr unbedingt die Eckdaten der Hochzeit. Es ist wichtig zu wissen wie der zeitliche Ablauf des Tages aussieht und wieviel Zeit für das Paarshooting eingeplant ist. An welchen Orten und Locations findet die Hochzeit statt, was befindet sich an spannenden Locations für das Brautpaarshooting in der Nähe? Google Maps kann Euch für eine erste Sichtung helfen. Schaut Euch auf jeden Fall die Locations vorher an und überlegt genau wo das Shooting stattfinden soll.
3. Beachtet die Zutaten für eine gute Geschichte
Eine gute Geschichte wird im Grunde genommen erzählt wie ein Theaterstück oder ein Hollywoodfilm. Es gibt eine Hauptperson, den sogenannten Helden und eventuell weitere Mitspieler. Eine Geschichte hat außerdem immer einen Konflikt der im Laufe der Geschichte aufgelöst wird. In meiner Beispielsgeschichte im oberen Teil des Beitrags ist der Konflikt für das Brautpaar, dass es kein Brautpaarfoto wie gewünscht am Meer geben wird. Helden der Geschichte sind die Trauzeugen, da sie das Meer auf das Brautpaarfoto bringen und somit den Konflikt lösen. Eine gute Geschichte besitzt Emotionen und ist so außergewöhnlich, dass sie weitererzählt wird. Die Szenerie mit einem Riesenbanner mit Meeresmotiv im Park in der Perspektive eines Fotosets aufgenommen ist außergewöhnlich und erregt Aufmerksamkeit.
4. Denkt in Mustern
Geschichten greifen auf gelernte Muster aus der Kindheit zurück und vereinfachen damit die Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung von Informationen im Gehirn. Ein Foto hat die zusätzliche Herausforderung, dass nur ein bestimmter Moment abgebildet wird, der aber schlüssig die Geschichte erzählen soll. Hierbei hilft es bekannte und gelernte Muster zu verwenden, um die Wiedererkennung und Merkfähigkeit des Fotos zu erhöhen. Muster sind z.B. Archetypen (Held, rettender Engel), Mythen und Urgeschichten (Kampf David gegen Goliath, Robin Hood), Rollen (Freund, Partner, Entdecker), Skripte und Verhaltensabläufe, (zerschneiden Band zur Eröffnung), symbolische Handlungen (Blutsbrüderschaft, rote Karte beim Fußball), Riten und Bräuche (Feiern von Siegen). Versucht über die Verwendung von Mustern das Foto einfacher erklärbar und merkfähiger zu machen.
5. Erzählt Euch die Geschichte wie ein Märchen
Am einfachsten könnt Ihr eine Geschichte erzählen indem ihr im Aufbau eines Märchens erzählt. Das sieht dann wie folgt aus: 1. Es war einmal….(Vorstellung der Mitwirkenden), 2. Jeden Tag….(Beschreibung der gewohnten Welt), 3. Aber eines Tages…(plötzliches Ereignis/Konflikt), 4. Daraufhin….(auseinandersetzen mit Konflikt), 5. Und dann….(Reise des Helden), 6. Bis schlussendlich…(Auflösen des Konflikts).
6. Macht ein Probeshooting
Ein Probeshooting ist für das Erzählen einer Geschichte und die Inszenierung im Bild aus meiner Sicht unverzichtbar. In der knappen Zeit am Hochzeitstag sollte das Setting stehen und das Brautpaar genau wissen was es zu tun gibt. Das Brautpaar bekommt auf dem Probeshooting eine konkrete Vorstellung von der Idee und hat die Möglichkeit einzuwirken und eigene Ideen einzubringen.
Ich bin Oliver Melchert und seit Januar 2015 Geschäftsführender Gesellschafter bei BTE Tourismus- und Regionalberatung. Bevor ich mich als gebürtiger Berliner auf die Reise in Norden machte habe ich Betriebswirtschaft an der FU Berlin studiert. Seit meiner geschäftsführenden Tätigkeit für die Dachmarke Nordsee zwischen 2007 und 2014 bin ich fasziniert von den Fähigkeiten und den Einsatzmöglichkeiten von Storytelling in der Vermarktung. Meine Arbeit bei der Nordsee GmbH führte zu einigen Preisen, unter anderem wurde ich für das Storytelling-Projekt WattWiki mit dem PR-Report-Award 2013 in der Kategorie Corporate Media ausgezeichnet. Besonders interessiert mich wie man Storytelling in der Fotografie und Vermarktung erfolgreich einsetzen kann. Hochzeitsfotografie und Marketing sind meine große Leidenschaft.